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Über den richtigen Umgang mit medizinischen Behandlungsfehlern

Sehr geehrter Leserin, sehr geehrter Leser,

im nachfolgenden Blog-Beitrag möchten wir Ihnen kompetente Hilfestellung geben, falls Sie von einem medizinischen Behandlungsfehler betroffen sind.

In Deutschland kommt es Jahr für Jahr zu über einer Milliarde an Arzt-Patienten-Kontakten.

Dabei passieren auch in der Medizin Fehler, denn kein Mensch ist unfehlbar. Auch nicht ein Arzt oder eine Ärztin.

Diese sogenannten Behandlungsfehler können besonders schwerwiegende Folgen haben und sogar zum Tod eines Patienten führen.

In Relation zu der Anzahl jährlicher Kontakte zwischen Ärzten und Patienten liegt die offizielle Zahl der Behandlungsfehler jedoch im Promillebereich.

Allerdings gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer aus.

Im Volksmund werden Behandlungsfehler häufig auch als Kunstfehler bezeichnet, da die Behandlung nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst (lege artis) erfolgt ist.

Was versteht man unter einem medizinischen Behandlungsfehler?

Die vertragstypischen Pflichten bei einem Behandlungsvertrag zwischen Ärzten und Patienten gehören zum Rechtsgebiet des Privatrechts und sind dementsprechend im Bürgerlichen Gesetzbuch BGB geregelt.

§ 630a BGB Absatz 1 beschreibt die vertragstypischen Pflichten bei einem Behandlungsvertrag:

Demnach ist derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung verpflichtet.

Der andere Teil (Patient) ist zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Absatz 2 regelt, dass die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.

Ein grober Behandlungsfehler liegt dann vor, wenn nachgewiesen ist, dass ein Arzt oder Psychotherapeut eindeutig gegen bewährte Behandlungsrichtlinien oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat und dem Patienten dadurch ein gesundheitlicher Schaden entstanden ist.

Der begangene Fehler darf aus objektiver Sicht nicht mehr nachvollziehbar sein und darf einem Arzt oder einem Psychotherapeuten nicht passieren.

Aber Vorsicht: Eine Heilung “schuldet” ein Arzt dem Patienten im Zusammenhang mit einem abgeschlossenen Behandlungsvertrag nicht.

Nur weil ein Patient nach erfolgter Behandlung nicht gesund wird, liegt also noch kein Behandlungsfehler vor, sondern erst, wenn gesundheitliche Beschwerden aufgrund einer bestimmten Behandlung eingetreten sind.

Welche Kunstfehler kommen am häufigsten vor?

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts vermuten jährlich etwa 40.000 Patientinnen und Patienten, Opfer einer falschen Behandlung geworden zu sein.

Experten vermuten jedoch, dass diese Zahl in Wahrheit 100 Mal größer ist.

Die Dunkelziffer ist extrem hoch.

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit rechnet mit mehreren Hunderttausend Kunstfehlern pro Jahr und 17.000 durch Ärztefehler verursachten Todesfälle.

Die Bundesärztekammer veröffentlicht jedes Jahr eine Statistik, um die häufigsten Ursachen für Behandlungsfehler transparent zu machen.

Die gewonnen Erkenntnisse sollen der ärztlichen Fortbildung und Qualitätssicherung in medizinischen Einrichtungen zugute kommen.

Laut der Statistik aus dem Jahr 2019 waren sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im Krankenhausbereich die Fachgebiete Unfallchirurgie und Orthopädie besonders häufig betroffen, gefolgt von Hausärztlich tätigen Ärzten bzw. der Allgemeinchirurgie.

Hier eine Übersicht der fünf häufigsten Diagnosen gemäß ICD 10:

  • Arthrose des Kniegelenks
  • Arthrose des Hüftgelenks
  • Unterschenkel- u. Sprunggelenkfraktur
  • Oberschenkelfraktur
  • Unterarmfraktur

Bei wem liegt die Beweislast?

Bei einem zivilrechtlichen Prozess muss grundsätzlich der Kläger nachweisen, dass ihm ein Schaden entstanden ist.

Der betroffene Patient muss also nachweisen können, dass ihm durch die Pflichtverletzung eines Arztes ein gesundheitlicher Schaden entstanden ist.

In der Regel ist dieser Nachweis ohne die Beibringung bestimmter Gutachten, zum Beispiel von den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern, nicht möglich.

Bei medizinischen Behandlungsfehlern treffen jedoch medizinische Laien auf medizinische Fachleute, was zu einem juristischen Ungleichgewicht führt.

Die Rechtsprechung hat deshalb bei bestimmten Fällen für eine “Beweislastumkehr” gesorgt.

Liegt ein besonders grober Behandlungsfehler eines Arztes vor oder wurde eine Behandlung nicht ausreichend dokumentiert, muss der betroffene Arzt einen Gegenbeweis erbringen.

Er muss also nachweisen, dass eine eingetretene Gesundheitsschädigung nicht durch die entsprechende Behandlung verursacht worden ist.

Wie kommt ein Behandlungsfehler zustande?

Ein Behandlungsfehler kann aus einem Tun oder einem Unterlassen eines Arztes oder Psychotherapeuten bestehen.

Die Ursachen sind genauso vielfältig, wie die unterschiedlichen Krankheitsbilder und Behandlungsmethoden..

Mögliche Ursachen für Behandlungsfehler:

  • Fehlende Befunderhebung
  • Offensichtlich falsche Behandlung
  • Verschreibung falscher Medikamente
  • Keimübertragung in beherrschbaren Bereichen
  • Verwendung fehlerhafter medizinischer Geräte

Welche Konsequenzen hat ein Behandlungsfehler?

Gem. § 280 BGB handelt es sich bei einem ärztlichen Behandlungsfehler um eine Pflichtverletzung des bestehenden Behandlungsvertrags-Verhältnisses.

Der Gläubiger kann aufgrund dieser Pflichtverletzung Schadensersatz verlangen.

Neben diesen zivilrechtlichen Folgen können je nach Schwere des Falls auch ordnungsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Bei schweren Verstößen kann der Zulassungsausschuss der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen eine Entziehung der Zulassung anordnen.

Geregelt ist dies in den §§ 26, 27 der Zulassungsverordnung für Vertrags(zahn)ärzte/Vertragspsychotherapeuten.

Als ultima ratio kann die jeweilige Landesregierung die Approbation entziehen, was einem Berufsverbot gleichkommt.

Wie oft werden Behandlungsfehler vertuscht?

Die vorhandenen Zahlen über Behandlungsfehler sind unvollständig, da es kein Register für Behandlungsfälle gibt.

Viele Behandlungsfehler bleibt zudem unerkannt, da Patienten ohne das entsprechende medizinische Fachwissen eine fehlerhafte Behandlung meist gar nicht – und wenn dann erst nach einigen Jahren – bemerken.

Wer hilft mir bei einem Behandlungsfehler?

Betroffene Patientinnen und Patienten können sich bei Behandlungsfehlern an die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern wenden.

Das Verfahren ist für Patientinnen und Patienten kostenfrei.

Unabhängige Ärztinnen und Ärzte sowie Juristinnen und Juristen beurteilen anhand der Dokumentation der jeweiligen Behandlung, ob ein der Ärztin oder dem Arzt vorwerfbarer Behandlungsfehler vorliegt, durch den die Patientin oder der Patient einen Gesundheitsschaden erlitten hat.

Ein Verfahren dauert in der Regel knapp über ein Jahr und damit deutlich kürzer als ein Gerichtsverfahren.

In vielen Fällen lässt bereits auf diesem Weg eine außergerichtliche Einigung erzielen.

Drei Viertel der beurteilten Fälle stuft die Expertenkommission jedoch regelmäßig nicht als ärztliche Behandlungsfehler ein.

An wen kann ich mich bei weiteren Fragen zum Thema wenden?

Erster Ansprechpartner bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler sollte Ihre Krankenkasse sein.

Diese kann dann den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit der Erstellung eines entsprechenden Guthabens beauftragen.

Bei der Durchsetzung Ihrer Rechte gegenüber der Krankenkasse oder des betroffenen Arztes hilft Ihnen auch die Unabhängige Patientenberatung Deutschland.

Auch die Bundesverbraucherzentrale und die Verbraucherzentralen der Länder sind kompetente Ansprechpartner.

Hilfe bieten auch das Aktionsbündnis Patientensicherheit oder der Deutsche Patientenschutzbund e.V. (DPSB).

Eine Übersicht aller relevanten Links zum Thema bietet die BundesInnungskrankenkasse Gesundheit (kurz: BIG).

Und das Bundesgesundheitsministerium stellt einen umfangreichen Ratgeber für Patientenrechte zur Verfügung.

Schlusswort

Wir hoffen, dass Ihnen unser Blog-Beitrag zum Thema Behandlungsfehler und Kunstfehler weitergeholfen hat.

Bei weiteren Fragen rund um das Thema medizinische Behandlungsfehler steht Ihnen Rechtsanwaltskanzlei Dr. Haack | Dr. Böttger bundesweit gerne jederzeit telefonisch zur Verfügung.

Dr. Haack ist einer der deutschlandweit ersten Fachanwälte für Medizinrecht und hat sich in der Vergangenheit durch mehr als 200 Fachpublikationen in diesem Bereich einen exzellenten Ruf erarbeitet. Nun ist er seit 2023 als „of Counsel“ beschäftigt. Auch Dr. Böttger kann auf eine langjährige Erfahrung und große Expertise zurückgreifen

Quellennachweise:

  • Bürgerliches Gesetzbuch BGB
  • Zulassungsverordnung für Vertrags(zahn)ärzte/Vertragspsychotherapeuten
  • https://www.bundesaerztekammer.de/patienten/gutachterkommissionen-schlichtungsstellen/behandlungsfehler-statistik/
  • https://dpsb.de/
  • https://www.aps-ev.de/
  • https://www.gkv-spitzenverband.de/
  • http://www.medizinrecht-ratgeber.de/medizinrecht/haftung/index_04.html
  • https://www.aerzteblatt.de/archiv/148514/Patientenrechtegesetz-Beweislasten-im-Arzthaftungsprozess
  • https://www.stern.de/gesundheit/mehr-behandlungsfehler-gemeldet-das-koennen-sie-bei-aerztepfusch-tun-3606208.html
  • https://www.mdr.de/nachrichten/ratgeber/gesundheit/quicktipp-aerztliche-behandlungsfehler-110.html
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Behandlungsfehler

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