
Rund 20.000 neue Behandlungsfehler-Fälle bei der AOK – was die Kasse jetzt fordert
Was hinter den 16.660 Verdachtsfällen steckt
Es ist eine Zahl die wieder mal aufhorchen lässt: 16.660 Verdachtsfälle von Behandlungsfehlern im Jahr 2024 – gemeldet allein von Versicherten der AOK. Man liest solche Statistiken ja schnell weg. Aber stellen Sie sich vor, hinter jedem dieser Fälle steckt ein Mensch – und ein Schicksal. Jemand, der nach einer Behandlung plötzlich Zweifel bekommt: War das alles richtig so? Hätte das nicht anders laufen müssen?
Interessant (oder beunruhigend): Zum Jahresende lagen sogar noch mehr als 20.000 offene Fälle auf den Schreibtischen der AOK. Das zeigt, wie sehr das Thema viele beschäftigt – und wie viel in den nächsten Monaten noch aufzuarbeiten ist.
Orthopädie und Unfallchirurgie am häufigsten betroffen
Nicht jede Behandlung birgt gleich hohe Risiken. Besonders oft betrafen die gemeldeten Verdachtsfälle im vergangenen Jahr die Orthopädie und Unfallchirurgie. Also alles rund um Knochen, Gelenke, Stürze und Unfälle.
Danach folgen Chirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, die Innere Medizin und Zahnmedizin. Falls Sie mal nach einer OP am Knie oder einer komplizierten Zahnbehandlung ins Grübeln kamen – Sie sind damit alles andere als allein.
Hier mal ein paar Zahlen zum Einordnen:
- Dokumentation aller wesentlichen Maßnahmen
- Änderungen müssen erkennbar bleiben
- Patienten dürfen auf Wunsch Einsicht nehmen
- Versäumnisse gehen im Zweifel zulasten des Arztes
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Orthopädie/Unfallchirurgie: 10287_504d6c-eb> |
928 Fälle 10287_6f6bcc-eb> |
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Chirurgie: 10287_a27bf8-57> |
876 Fälle 10287_4d8bc5-6b> |
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Frauenheilkunde/Geburtshilfe: 10287_aac318-08> |
862 Fälle 10287_a33897-f8> |
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Innere Medizin: 10287_764305-2b> |
636 Fälle 10287_d6e6a3-bf> |
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Zahnheilkunde: 10287_4707df-3c> |
395 Fälle 10287_f6cccd-f2> |
Manche dieser Fälle bleiben eher alltäglich. Andere ziehen sich, werden komplex und gehen für die Betroffenen oft ziemlich an die Substanz.
Fast jeder dritte Verdachtsfall entpuppt sich als Behandlungsfehler
Vielleicht fragen Sie sich: Wie oft ist ein Verdacht berechtigt? In knapp 29 Prozent der abschließend geprüften Fälle wurde 2024 ein Fehler bestätigt. Oder anders gesagt: Bei fast jedem dritten Verdachtsfall lag tatsächlich ein Behandlungsfehler vor – mit Unterstützung des Medizinischen Dienstes, der in diesen Fällen die Gutachten erstellt.
„Wir wissen aus der Beratung, dass viele Versicherte nach wie vor große Probleme bei der Durchsetzung ihrer Rechte haben“, so AOK-Vorständin Carola Reimann im Vorfeld des Welttages der Patientensicherheit am 17. September 2025.
In einem Positionspapier zur Weiterentwicklung der Patientenrechte, auf das wir im 5. Kapitel detailliert eingehen, fordert die AOK unter anderem Erleichterungen bei der Beweislast. Das Ziel: Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent sollten künftig als Beweis für den Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden ausreichen.
Für alle betroffenen Patienten bedeutet das: Es lohnt sich, nachzufragen und dranzubleiben. Und zwar nicht nur aus Prinzip, sondern weil es am Ende wirklich um Ihre Gesundheit, um Entschädigung und auch um klare Verhältnisse im System geht.
Knapp 50 Millionen Euro an Regresseinnahmen verzeichnet
Im vergangenen Jahr wurden von den 16.660 gemeldeten Verdachtsfällen immerhin 5.335 Fälle genauer unter die Lupe genommen, oft im Rahmen einer persönlichen Beratung. Wenn ein Fehler bestätigt wird, steht für Sie mehr auf dem Spiel als nur ein Kreuz auf einem Formular. Dann geht es plötzlich um Schadensersatz, manchmal auch um Auseinandersetzungen vor Gericht.
Die AOK hat 2024 knapp 50 Millionen Euro an Regresseinnahmen in Verbindung mit Behandlungsfehlern verzeichnet. Das ist mehr als nur ein netter Nebeneffekt, sondern zeigt, wie viel tatsächlich in Bewegung kommt, wenn Betroffene sich melden.
Auch spannend: Rund 238 laufende Rechtsstreite zeigen, wie langwierig und ernst solche Fälle werden können – manchmal dauert es Monate, bis eine Sache geklärt ist.
Was fordert die AOK für Ihre Rechte als Patienten?
Die AOK hat aus vielen Jahren Erfahrung gelernt, wo Betroffene Unterstützung brauchen – und wo das Rechtssystem oft zu kompliziert, zu langsam oder zu bürokratisch ist. Sie fragt sich vielleicht: Was muss sich ändern, damit Patientinnen und Patienten nach einem Behandlungsfehler oder bei einem Schaden durch ein Medizinprodukt nicht allein dastehen? Die Antworten der AOK sind überraschend konkret.
a) Mehr Informationen, weniger Versteckspiel
Wer nach einer medizinischen Behandlung plötzlich mit einem Problem konfrontiert ist, braucht vor allem Klarheit. Die AOK fordert, dass Sie als Patientin oder Patient von Anfang an erfahren, wenn etwas schiefgelaufen ist – und zwar nicht erst auf Nachfrage, sondern aktiv und transparent.
- Sie sollen verständlich über mögliche Behandlungsfehler informiert werden – auch bei Verdacht auf einen Schaden durch Medizinprodukte oder Arzneimittel.
- Alle wichtigen Produktinformationen, z.B. zu Implantaten, müssen für Sie zugänglich sein. Nur so können Sie prüfen, ob Ihr Produkt von einer Warnung oder Rückrufaktion betroffen ist.
- Auch die Identität von Herstellern und Importeuren soll offenliegen – etwa durch einen Implantatpass. Das schützt Sie davor, mit Ihren Ansprüchen ins Leere zu laufen.
- Das entscheidende Datum für Ansprüche – etwa der genaue Zeitpunkt der Implantation eines Herzschrittmachers – muss eindeutig dokumentiert sein.
- Für sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), also Selbstzahler-Leistungen in der Praxis, verlangt die AOK klare gesetzliche Aufklärungspflichten. Sie sollen selbstbestimmt entscheiden können – und nicht im Dunkeln tappen.
b) Rechte im Schadensfall – Hürden abbauen
Nicht jeder Verdacht bestätigt sich – aber wenn doch, dann braucht es Unterstützung. Die AOK setzt sich für spürbare Erleichterungen im Schadensfall ein:
- Die Anforderungen an die Beweislast sollen sinken: Es reicht, wenn ein Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht.
- Auch bei Arzneimittel- und Medizinprodukteschäden soll die Beweislage für Sie als Geschädigte deutlich verbessert werden.
- Der „grobe Behandlungsfehler“ braucht endlich eine klare, gesetzliche Definition. Das schafft mehr Sicherheit für alle Seiten.
- Sie haben ein Recht auf alle notwendigen Unterlagen – von Aufklärungsbögen bis zu Hygieneprotokollen. Wer schon einmal versucht hat, seine Akte zu bekommen, weiß, wie wichtig das ist.
- Akteneinsicht muss vollständig und unkompliziert möglich sein – auch digital. Metadaten, Protokolle, alles was im Zusammenhang mit Ihrer Behandlung steht, gehört dazu.
- Krankenkassen wie die AOK sollen Sie künftig nicht nur bei klassischen Behandlungsfehlern unterstützen dürfen, sondern auch bei Schäden durch Medikamente oder Medizinprodukte. Die Beratung wird damit breiter – und besser auf die neue Versorgungsrealität abgestimmt.
- Sachverständigengutachten sind für die Durchsetzung Ihrer Rechte zentral. Die AOK fordert verbindliche Standards und mehr Qualität – für nachvollziehbare Entscheidungen, nicht für Gutachten-Marathons.
- Kommt es zu Verzögerungen bei der Schadensregulierung, sollen Sie eine Entschädigung erhalten, zum Beispiel durch die Erhöhung des Schmerzensgeldes.
- Gerichtsverfahren sollen nicht zum Endlosthema werden: Die AOK möchte, dass Sie das Recht auf Mediation haben und Verfahren durch Spezialisierung (z. B. bei Medizinproduktschäden) beschleunigt werden.
c) Ansprüche sichern, Verantwortung klären
Viele Betroffene erleben, dass Schadensersatz im Ernstfall schwer durchzusetzen ist – oft, weil Verantwortlichkeiten nicht klar oder Haftpflichtversicherungen nicht vorhanden sind. Hier will die AOK für Sie Klarheit schaffen:
- Alle Behandelnden, Hersteller und Importeure sollen verpflichtet sein, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. So bleiben Sie im Ernstfall nicht auf Kosten oder Schäden sitzen.
- Ihr Eigentumsrecht muss besser gewahrt werden: Explantate wie Prothesen sollen nach einer Operation drei Jahre lang archiviert und Ihnen zur Verfügung gestellt werden – damit Sie Beweise in der Hand behalten.
- Verstöße gegen Meldepflichten sollen spürbare Konsequenzen haben – die AOK spricht sich für Bußgelder aus, wenn wichtige Informationen nicht weitergegeben werden.
- Ein „Härtefallfonds“ wird von der AOK abgelehnt – stattdessen soll das Haftungsrecht so gestärkt werden, dass Sie Ansprüche direkt und umfassend durchsetzen können. Denn Kompromisslösungen auf Kosten der Betroffenen helfen am Ende selten weiter.
d) Mehr Prävention, mehr Sicherheit
Last but not least: Auch Vorbeugen ist für die AOK entscheidend. Deshalb spricht sie sich dafür aus, ein Register für schwerwiegende, vermeidbare Ereignisse (sogenannte „Never Events“) einzurichten. Das Ziel: Aus Fehlern lernen, damit sie anderen gar nicht erst passieren.
Fest steht: Die AOK belässt es nicht bei Appellen, sondern will das System auf mehreren Ebenen weiterentwickeln. Mehr Informationen, weniger Hürden, klare Verantwortlichkeiten – das alles soll dafür sorgen, dass Sie als Patientin oder Patient besser durchblicken, schneller Hilfe bekommen und im Ernstfall nicht allein dastehen.
Was tun, wenn Sie einen Behandlungsfehler vermuten?
Sie vermuten einen Behandlungsfehler? Dann melden Sie Ihren Verdacht – zum Beispiel direkt bei der AOK oder über die Beratungsstelle Patientenrechte. Im ersten Schritt schildern Sie Ihren Fall und reichen relevante Unterlagen ein. Die AOK fordert anschließend mit Ihrem Einverständnis die vollständigen Behandlungsunterlagen an. Danach prüft der Medizinische Dienst (MD) unabhängig, ob ein Fehler vorliegt. Ärztinnen und Ärzte des MD vergleichen den Behandlungsverlauf mit medizinischen Standards und erstellen ein Gutachten.
Das Ergebnis: Entweder der Fehler wird bestätigt – dann haben Sie die Grundlage, Schadensersatz einzufordern, oft mit Unterstützung der AOK oder eines Anwalts für Behandlungsfehler. Oder der Verdacht wird nicht bestätigt – dann erhalten Sie eine entsprechende Begründung. Wichtig: Sie können zu jedem Schritt Fragen stellen und Unterstützung in Anspruch nehmen.
So hilft die Kanzlei Dr. Haack | Dr. Böttger bei Behandlungsfehlern
Falls Sie nicht wissen, wie es weitergehen soll: Nehmen Sie direkt Kontakt mit uns auf. Ganz unkompliziert, telefonisch, per E-Mail oder persönlich in Osnabrück und Düsseldorf. Sie können auch einfach Ihr Anliegen schildern, ohne gleich alle Unterlagen parat zu haben. Wir hören zu, besprechen, welche nächsten Schritte sinnvoll sind und begleiten Sie durch das Dickicht aus Formularen, Paragraphen und Terminen. Unser Credo: Niemand muss da alleine durch.
Fazit & Reflexion
16.660 Verdachtsfälle, 28,6 Prozent Bestätigungsquote, 238 laufende Rechtsstreite – das alles sind keine abstrakten Zahlen. Dahinter stecken echte Menschen und Lebensgeschichten. Die AOK fordert zu Recht, dass Betroffene schneller zu ihrem Recht kommen und im System nicht verloren gehen.
Und jetzt mal ehrlich: Wie haben Sie das eigentlich erlebt? Haben Sie schon mal an einer Behandlungsmethode gezweifelt? Oder hätten Sie sich nach einer Behandlung mehr Unterstützung, mehr Informationen, mehr Klarheit gewünscht? Schreiben Sie uns – oder teilen Sie Ihre Gedanken. Ihre Geschichte kann helfen, das Thema Behandlungsfehler sichtbarer und die Patientenrechte stärker zu machen.
Hintergrund zur AOK
Die AOK, also die Allgemeinen Ortskrankenkassen, ist ein Zusammenschluss von elf regionalen Krankenkassen. Zusammen betreuen sie rund 27 Millionen Versicherte in Deutschland – also fast ein Drittel aller gesetzlich Versicherten. Ob in Bayern, Hamburg, Sachsen oder im Ruhrgebiet: Die AOK ist überall vor Ort und kennt viele der Themen, die Patientinnen und Patienten bewegen. Durch ihre Größe und Erfahrung kann die AOK Entwicklungen früh erkennen und bringt sich deshalb besonders lautstark ein, wenn es um Patientenrechte, Beratung und Veränderungen im Gesundheitssystem geht.
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Quellenverzeichnis
https://www.aok.de/pp/bv/positionen/
https://www.aok.de/pk/dokumente-vollmachten-patientenrechte/behandlungsfehler/
https://www.deine-gesundheitswelt.de/krankheit-behandlung-und-pflege/behandlungsfehlermanagement








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