Gibt es ein Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung?
Bei Ihnen steht ein medizinischer Eingriff an, doch Sie sind sich nicht sicher, ob er wirklich nötig ist? Nicht immer fällt es leicht, auf eine einzelne ärztliche Meinung zu vertrauen: Vielleicht gibt es einen besseren Behandlungsweg, den Ihr Arzt noch gar nicht bedacht hat? Eine ärztliche Zweitmeinung könnte mehr Licht ins Dunkel bringen, aber habe ich überhaupt ein Recht darauf?
Ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist absolut wünschenswert, doch auch Zweifel müssen ihren Platz haben dürfen. Als Anwälte für Medizinrecht wissen Dr. Haack & Dr. Böttger leider sehr genau, dass Mediziner nicht unfehlbar sind, selbst wenn sie noch so gute Absichten haben. Eine ärztliche Zweitmeinung kann im Ernstfall einen Irrweg verhindern oder den Patienten in seiner persönlichen Entscheidungsfindung unterstützen.
Kann man sich eine ärztliche Zweitmeinung einholen?
Es gibt nur eine Institution, die Ihrem Informationsbeschaffung einen Riegel vorschieben könnte: Ihre Krankenkasse. Doch die ärztliche Zweitmeinung bei der AOK und anderen Kassen ist alles andere als tabu. Sie haben als Patient freie Arztwahl und können unter den qualifizierten Zeitmeinungsärzten zu Rate ziehen, wen auch immer Sie möchten. Allerdings gibt es dafür feste Regeln, die wir im nächsten Kapitel behandeln.
Vorher noch eine weitere wichtige Information: Sie dürfen jederzeit Ihre eigene Patientenakte einsehen und sämtliche Daten als elektronische Abschrift mitzunehmen. Für Papierkopien darf Ihnen Ihr Arzt nur die reinen Kopierkosten in Rechnung stellen. Sie können also Ihre Berichte, Laborwerte und Röntgenbilder jederzeit einem anderen medizinischen Experten vorlegen.
Nehmen Sie diese Möglichkeit wahr, dann ist Ihr behandelnder Arzt auch gleich informiert. Die ärztliche Zweimeinung dürfen Sie jedoch aus Befangenheitsgründen nicht dort einholen, wo Ihr Eingriff durchgeführt werden soll.
Bei bestimmten planbaren Operationen als feste Krankenkassenleistung
Bei bestimmten planbaren Operationen gehört die ärztliche Zweitmeinung zu den festen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen – bei Notoperationen aber verständlicherweise nicht. Eingeführt wurde das „strukturierte Zweitmeinungsfahren“ 2019, es besteht bei den folgenden geplanten Operationen:
- Wirbelsäulen-Operationen
- Mandeloperationen
- Schulter Arthroskopie
- Gebärmutterentfernungen
- Einbau eines Herzschrittmachers
- Implantation eines Defibrillators
- Verödungen am Herzen
- Amputation bei diabetischem Fußsyndrom
- Entfernung der Gallenblase
- Hüftgelenksprothese (Einbau, Wechsel, Entfernung)
- Implantation einer Knie-Endoprothese (auch Wechsel / Korrektur)
Die Liste soll Stück für Stück erweitert werden, darum empfehlen wir, im Zweifel unter diesem Link des Gemeinsamen Bundesausschusses selbst nachzuschauen.
Ihr Eingriff ist (noch) nicht mit dabei? Rufen Sie bei Ihrer Krankenkasse an und erklären Sie dort den Sachverhalt. Sie ist befugt, eine ärztliche Zweitmeinung auch außerhalb des strukturierten Verfahrens zu bewilligen – aber nicht dazu verpflichtet! Mit etwas Glück stoßen Sie auf genügend Kulanz.
Krebs-Patienten erhalten besonders häufig eine Zusage, hier geht es oft um Leben und Tod. Eventuell vermittelt Ihnen Ihr KK-Sachbearbeiter darüber hinaus einen Termin bei einem vertrauenswürdigen Spezialisten, wenn Sie es so wünschen. Fragen Sie aber vorsichtshalber nach, was den Experten genau auszeichnet, um sicherzugehen, dass die Person nicht nur dafür da ist, der Krankenkasse Kosten einzusparen. Ein Schuss gesundes Misstrauen ist nie verkehrt.
Zweitmeinung von Arzt: Überweisung nötig? Entweder nutzen Sie eine „Überweisung zur Zweitmeinung in Abwägung einer Operation“ oder Sie legen zu Ihrem Termin Ihre Krankenhausverordnung für den anstehenden operativen Eingriff vor. Beides zählt.
So läuft das medizinische Zweitmeinungsverfahren ab
Ihr behandelnder Arzt sollte Sie spätestens 10 Tage vor der Operation darauf hinweisen, dass Sie sich zum Beispiel eine Zweitmeinung aus der Orthopädie oder eine Zweitmeinung vom Zahnarzt einholen können. Das geschieht erfahrungsgemäß nicht immer, aber hiermit wissen Sie nun Bescheid. Aufgrund der langen Wartezeiten in den Praxen empfehlen wir, sich so früh wie möglich um einen entsprechenden Termin zu kümmern.
Informieren Sie sich zwischenzeitlich über alternative Behandlungsmethoden und fragen Sie den zweiten Arzt direkt danach. So können Sie das Gespräch zum gewissen Teil selbst lenken. Natürlich legen Sie gleichzeitig sämtliche vorhandenen Befunde vor, damit der Experte nicht im Dunkeln tappt.
Unter Einbeziehung aller Daten sagt Ihnen der Zweitmeinungs-Arzt, inwiefern er die geplante Operation für notwendig hält und ob er eine Alternative gutheißt. Sie haben die Möglichkeit, einen schriftlichen Bericht anzufordern, den auch Ihr „Erst-Arzt“ erhält. Die Entscheidung liegt schlussendlich bei Ihnen selbst, als mündiger Patient, der nun doppelt beraten ist.
Was zeichnet einen Zweitmeinungs-Arzt aus?
Oben haben wir Ihnen die Liste mit den zugelassen Zweitmeinungsärzten verlinkt, geordnet nach der Operationsart. Die Suchfunktion ermöglicht es Ihnen, eine passende Praxis in Ihrer Nähe zu finden. Um eine Genehmigung der Kassenärztliche Vereinigung für eine zweite Meinung zu erhalten, müssen Ärzte eine besondere Qualifikation vorweisen und erwiesenermaßen unabhängig sein.
Die genauen Voraussetzungen legt die sogenannte Zweitmeinungsrichtlinie im Detail fest.
Krankenkasse kooperiert nicht: Was tun?
Was nützt das beste Verfahren, wenn die Krankenkasse von Anfang an blockiert und kein Entgegenkommen zu erwarten ist? Ihre Zweitmeinung können Sie sich trotzdem holen, bei einem privaten Gutachterbüro, dessen Dienste Sie allerdings selbst zahlen müssen. Informieren Sie sich gründlich über die vorhandene medizinische Reputation, bevor Sie sich kostenpflichtig beraten lassen.
Dr. Haack & Dr. Böttger: Juristische Beratung für Patienten
Auch wir beraten Patienten, meistens, nachdem etwas schiefgelaufen ist. Als Top-Kanzlei für Medizinrecht beleuchten Dr. Haack & Dr. Böttger die juristische Seite und setzen die Patientenrechte für Gericht durch. Schmerzensgeld und Schadensersatz heilen keine Wunden, sie erleichtern aber den Umgang mit einem erlittenen Schaden und helfen bei der Aufarbeitung.
Kontaktieren Sie uns als geschädigter Patient zunächst kostenlos. Wir loten Ihre Erfolgsaussichten aus und setzen uns bei Annahme des Falls dafür ein, dass Sie eine angemessene Kompensation erhalten.
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Quellennachweise:
https://www.g-ba.de/downloads/17-98-4765/2019-10-28_G-BA_Patientenmerkblatt_Zweitmeinungsverfahren_bf.pdf
https://www.gesundheitsinformation.de/zweitmeinung-vor-operationen.html
https://www.116117.de/de/zweitmeinung.php
https://www.kbv.de/html/themen_38546.php
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Rechtsanwaltskanzlei Dr. Haack
Wir bieten kompetente Rechtsberatung im Medizinrecht und spezialisieren uns auf die Themen Behandlungsfehler, Arzthaftung und die Beratung bei der Erstellung von Chefarztverträgen.
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